Entwicklung – Die Einrichtung der menschlichen Natur

Hier erklären wir dir, was Entwicklung inhaltlich bedeutet und warum sie häufig scheitert, wenn Maßnahmen nicht bei den Grundlagen menschlicher Fähigkeiten ansetzen. 

Was menschliche Entwicklung nicht ist

Da das Wort Entwicklung häufig in einem falschen oder zumindest zu stark vereinfachten Kontext verwendet wird, wollen wir hier zunächst aufzählen, was nicht mit Entwicklung gleichgesetzt werden sollte:

  • Wachstum
  • Entfaltung der Persönlichkeit
  • Entfaltung der individuellen Natur
  • Spirituelle Praxis
  • Heilung
  • Auflösung von Traumata
  • Veränderung der Lebensumstände, berufliche Veränderung, Partnerwechsel
  • Bildung, Intellektualität
  • Ein Prozess, der durch einen reinen Beschluss passiert
  • Technischer Fortschritt
  • Reine Schattenarbeit, Selbstannahme
  • Physische Transzendenz, Überwindung der Materie

Einige der oben genannten Punkte, z.B. Wachstum, sind ein Teil des menschlichen Entwicklungsprozesses, genauso wie die Entfaltung der Persönlichkeit und der individuellen Natur. Andere Punkte wiederum stehen der menschlichen Entwicklung entgegen. Dazu gehören die Ideen, dass Spiritualität die Überwindung der Materie bedeutet und dass der reine Geist die Spitze menschlicher Evolution bedeuten würde. Heilung und die Auflösung von Traumata sind in vielen Fällen eine Grundvoraussetzung dafür, dass Entwicklung stattfinden kann. Doch leider ist Entwicklung keine automatische Konsequenz von Heilung. Das Thema Heilung vs Entwicklung besprechen wir hier noch einmal ausführlich.

Was menschliche Entwicklung ist

Im Folgenden beschreiben wir nun, worum es bei der menschlichen Entwicklung eigentlich geht.

Selbstregulation vs Fremdregulation

Auf den Punkt gebracht bedeutet menschliche Entwicklung ein Prozess von einem Ist-Zustand der Fremdregulation zu einem Soll-Zustand der Selbstregulation:

Und weil auch in Bezug auf das Thema Selbstregulation viel Verwirrung herrscht, hier einmal der Unterschied zwischen Selbstregulation und Fremdregulation:

Selbstregulation heißt also, dass nichts von außen kommen muss, damit dein System zu einer Veränderung fähig ist. Eine Ausname dazu bilden allerdings Primärressourcen wie Nährstoffe, Luft und Wasser. Von diesen Ressourcen wirst du ein Leben lang abhängig bleiben. Interessant ist, dass die meisten Menschen ihre Abhängigkeit von Primärressourcen total negieren. Gleichzeitig verkaufen sie sich ihre Abhängigkeit von Sekundär- und Tertiäressourcen – das sind Produkte, die aus einer Weiterverarbeitung von Primärressourcen durch eine Leistung entstanden sind – als Selbstregulation.

Hier ein paar Beispiele für Themen, die gerne mit Selbstregulation verwechselt werden:

  • Ich wähle mir aus dem Angebot verschiedener Meinungen eine aus – Wer ein Selbst hat, kann sich die Umwelt vollständig alleine erklären. Bildung, Meinungen anderer und sonstige aufbereitete Informationen sind überflüssig.
  • Ich nehme Verdauungshilfen oder andere Helfer, welche die Tätigkeit meiner Organe unterstützen – Verdauung ist eine der grundlegendsten Fähigkeiten der Selbstregulation, die immer weniger Menschen besitzen.
  • Ich betreibe Katharse durch Output, indem ich mich bei Stress oder Wut beim Sport abreagiere, im Wald laut schreie oder auf Kissen einschlage – Die Notwendigkeit nach Katharse bedeutet, dass Selbstregulation nicht funktioniert hat. Ein sich selbst regulierendes System beruhigt sich zeitnah und von alleine wieder.
  • Ich betreibe Katharse durch Input, indem ich Stress-esse, mit Netflix, Video Spielen, Drogen der Realität entfliehe oder unbenötigte Dinge einkaufe – Selbstregulation benötigt keine Ersatzbefriedigungen, um im Körper ein Wohlgefühl zu erzeugen.
  • Ich versuche mein System durch Übungen, Atemübungen, Meditation, Mudras, Akupressur etc. zu steuern oder zu beruhigen – bei der Selbstregulation erfolgt die Regulation ohne jegliche Hilfsmittel.
  • Ich helfe mir durch energetische Maßnahmen wie Homöopathie, Bachblüten etc., um meine Stimmung und meinen körperlichen Zustand zu beeinflussen – auch diese Hilfsmittel haben nichts mit Selbstregulation zu tun.
  • Ich brauche Zustimmung oder Erlaubnis von Autoritäten, um mich im Leben zu orientieren oder mich zu entscheiden – ein klassisches Beispiel für fehlende Autonomie, die eine Voraussetzung für Selbstregulation ist.
  • Ich muss mich von außen motivieren oder inspirieren lassen, um auf neue Gedanken oder Ideen zu kommen – ein klassisches Beispiel für fehlende Individualität, die eine Voraussetzung für Selbstregulation ist.
  • Ich muss mit jemandem reden oder Dinge aufschreiben, um mich besser zu fühlen oder um Sachverhalte besser zu verstehen – ein klassisches Zeichen, dass beide Gehirnhälften nicht gut miteinander vernetzt sind. Zur Selbstregulation fähige Menschen können sich selbst ohne die Hilfe von Hilfsmitteln verstehen.

Was hier nicht gesagt werden soll, ist dass Fremdregulation grundsätzlich falsch oder unnütz wäre. Sie sollte eben nur nicht mit Selbstregulation verwechselt werden, die entwicklungstechnisch eine fortgeschrittenere Form der Regulation ist. Eine fortschreitende optimale Entwicklung bedeutet daher immer auch eine zunehmende Fähigkeit zur echten Selbstregulation. Mit anderen Worten: um Selbstregulation betreiben zu können, muss zunächst ein Selbst vorhanden sein. Und dieses ist erst das Ergebnis einer (optimalen) Entwicklung.

Bis die Fähigkeit zur Selbstregulation auf einem Gebiet erlangt worden ist, ist Fremdregulation sogar sehr wichtig. Therapien sind im Wesentlichen Instrumente der Fremdregulation, Entwicklungstherapien bezwecken darüber hinaus aber über die momentane Fremdregulation des Organismus auch die Befähigung des Organismus zur Selbstregulation.

Fremdregulation ist allerdings nicht gleich Fremdregulation. Auch hier gibt es Abstufungen in Bezug auf den Stand der eigenen Entwicklung. Wer die Anwesenheit oder den Zuspruch anderer Menschen braucht, um sich zu regulieren, zeigt frühkindliche Entwicklungslücken. Wer zwar eine Anleitung braucht, danach aber selbst aktiv werden kann und Selbstfürsorge in Form von geeigneten Maßnahmen zur Selbstregulation betreiben kann, ist deutlich autonomer. Eine noch fortgeschrittenere Form der Fremdregulation ist das eigenständige Erkennen von Maßnahmen zur Regulation, z.B. das Wissen, dass jetzt ein Spaziergang nötig ist.

Natürlich müssen in Bezug auf die Fremdregulation auch die Maßnahmen selbst unterschieden werden. Sich abends mit einem Buch und einer Tasse Tee hinzusetzen, um runter zu kommen, ist sicherlich geeigneter als sich Heroin zu spritzen. Die Frage lautet also hier, ob die Maßnahme dazu geeignet ist, die natürlichen Biorhythmen zu unterstützen, ohne negative Nebenwirkungen oder Abhängigkeiten zu produzieren.

Schlussendlich ist auch die Frage, ob man eine Maßnahme wirklich braucht, ein Zeichen für die Reife des Systems. Je entwickelter das System ist, desto mehr beschleunigen Maßnahmen zur Fremdregulation einen Prozess lediglich, der früher oder später sowieso eingetreten wäre. Wichtig zu verstehen ist, dass ausschließlich in solchen Fällen therapeutische Maßnahmen auch einen die Entwicklung fördernden Charakter haben.

Hier zeigt sich, dass Entwicklung nur dann stattfindet, wenn Maßnahmen zur rechten Zeit und am rechten Ort eingesetzt werden. Denn die gleiche Maßnahme kann bei der einen Person lediglich Fremdregulation bewirken, während sie einer anderen Person dabei verhilft, sich die entsprechende Fähigkeit selbst anzueignen.

Entwicklung als Prozess

Diese Abhängigkeit von Maßnahmen von Zeit und Raum ergibt sich aus der Tatsache, dass Entwicklung ein Prozess ist. Jeder Prozess weist einen Anfang, ein Ende und einen Weg dazwischen auf. Der Anfang des Prozesses entspricht einem Ist-Zustand, der durch das Zurücklegen eines Weges in einem Soll-Zustand mündet. Der Weg teilt sich wiederum in Zwischenschritte auf, die als Meilensteine jeweils wieder für sich Prozesse mit Anfang, Weg und Ende sind.

Entwicklung bleibt also inhaltlich ein lediglich abstraktes Konzept, wenn das prozesshafte Prinzip der Entwicklung nicht verstanden wird. Daraus ergibt sich natürlich auch, dass Konzepte zur Förderung von Entwicklung in solchen Fällen ebenso zum Scheitern verurteilt sind. Erstaunlicherweise wird das Konzept des Prozesshaften an sich nicht nur von vielen Menschen insgesamt nicht verstanden, sondern oft auch von Therapeuten, Trainern usw., die andere Menschen in ihrer Entwicklung begleiten wollen. Selbstverständlich reicht ein Verständnis darüber, dass ein Prozess überhaupt stattfindet für ein Einwirken auf den Entwicklungsprozess bei Weitem nicht aus. Es müssen absolut detaillierte Kenntnisse über den Inhalt von Start, Weg und Ziel vorliegen und vor allem darüber, wo genau im Prozess der Klient, Patient oder Schüler sich gerade individuell befindet. 

Teil des Verständnisses des Entwicklungsprozess ist diesbezüglich auch, dass Entwicklungsschritte einander in einer festgelegten Reihenfolge folgen. Sehr wichtig ist dabei, dass Entwicklungsschritte immer aufeinander aufbauen:

Diese Reihenfolge ist in den Genen festgelegt und ein Ergebnis der Entwicklung der Spezies Mensch. An dieser Stelle müssen wir aber genau unterscheiden, dass die menschliche Entwicklung eine Kombination aus genetischen und epigenetischen Prozessen ist:

Die Informationen auf den Genen entspricht einem Bauplan oder einer Blaupause, während die Epigenetik das ist, was tatsächlich aus diesen Genen gemacht wird. Denn nicht alle genetischen Informationen werden aktiv genutzt. Sie können auch durch Umweltfaktoren (von innerhalb und außerhalb des Organismus) abgeschaltet oder auf eine bestimmte Weise gefiltert werden. Nicht umsonst wird also von einem genetischen Potential gesprochen, welches fast nie wirklich ausgeschöpft wird, weil das eigentliche genetische Potential epigenetisch nicht umgesetzt wird. Somit spiegelt die Epigenetik die Realität wieder, auch des tatsächlichen Entwicklungsstandes eines Menschen. Die Genetik gibt vor, wie ein Mensch sich individuell entwickeln sollte, die Epigenetik zeigt, wo er wirklich steht.

Es muss also in Bezug auf den Entwicklungsprozess zwischen dem idealen und optimalen Soll-Zustand und dem tatsächlich individuell erreichten Ist-Zustand unterschieden werden.

Bleiben wir einmal beim einfachen Beispiel des Laufen lernens. Nur ein verschwindend geringer Anteil der Menschheit kann innerhalb der ersten zwei Lebensjahre nicht aufrecht laufen. Aber auch, wenn die meisten Menschen laufen lernen, haben nur sehr wenige Menschen eine optimale Haltung und ein optimales Gangmuster entwickelt. Optimal heißt, dass auf eine optimale Weise mit der Schwerkraft umgegangen wird, bei geringstmöglichem Kraftaufwand. Nur so können einerseits Verschleißerscheinungen, Schmerzen und Blockaden im Laufe des Lebens vermieden werden. Eine optimale Laufentwicklung entscheided aber nicht nur über optimale und effiziente Bewegungsmuster, die z.B. im sportlichen oder feinmechanischen Bereich wichtig sein könnten. Optimale Haltung und Gangmuster sind wiederum die Voraussetzung für eine fortgesetzte Gehirnentwicklung, z.B., indem Arm und Bein kontralateral, also über Kreuz beim Gehen schwingen, was wichtig für eine gute Kommunikation beider Gehirnhälften miteinander ist. Während heutzutage einige Menschen Übungen machen, um ihre beiden Gehirnhälften zu integrieren, wäre dies etwas, was der Körper eigentlich nebenbei durch alltägliche körperliche und später auch geistige Bewegungen von selbst vollziehen können sollte (Selbstregulation!). Die Natur hat im Laufe der Evolution jedem einzelnen Entwicklungsschritt mehrere aufeinander und ineinander gestapelte Funktionen zugemessen. Insofern wird sich das volle Potential der menschlichen Haltung und eines optimalen Gangbildes nicht entfalten, wenn lediglich Muskeln trainiert werden, um die Haltung zu verändern. Genausowenig hilft diesbezüglich, beim Gehen darauf zu achten, dass Arme und Beine kontralateral schwingen. Sollte bei der Haltung und beim Gang etwas schief gelaufen sein, hilft nur das Problem in einem vorherigen Entwicklungsschritt zu suchen und zu lösen. Denn nur dann entfaltet sich die volle Bandbreite an Möglichkeiten eines jeden Entwicklungsschrittes.

Entwicklung setzt den Erwerb spezifischer Fähigkeiten voraus

In diesem Zusammenhang muss Enwicklung immer mit dem Erwerb von spezifischen Fähigkeiten einhergehen.

Homöostase vs Allostase

Ein absolut wichtiger Entwicklungsschritt ist dabei die Fähigkeit neue Fähigkeiten zu erwerben. Denn zur Selbstregulation gehört auch die Fähigkeit sich selbst neue Fähigkeiten beizubringen und das System auf diese Weise zu “updaten”. Die Fähigkeit eines Systems immer wieder aus Situationen zu lernen und aus ihnen für die Zukunft praktische Erfahrungen und Fähigkeiten zu extrahieren, wird Allostase Fähigkeit genannt. Die Allostase Fähigkeit ist nicht Teil der Werkseinstellung, die jeder Mensch zum Zeitpunkt der Geburt zur Verfügung hat. Der Grund ist einfach: menschlichen Babys wird eine sehr lange Brutpflege zugedacht. Die Natur hat es aus Gründen der Ressourcenökonomie und praktischen Gegebenheiten so eingerichtet, dass Bezugspersonen das System Baby so lange regulieren sollten, bis es die Fähigkeit zur Selbstregulation erlangt. Bis zur Erlangung der Selbstregulationsfähigkeit haben Babys zwar in Bezug auf überlebenswichtige Systeme eine gewisse Fähigkeit zur Selbstregulation, darüber hinaus muss aber der Erwerb neuer Fähigkeiten zur Selbstregulation zunächst von außen induziert, also herbeigeführt werden. Das bedeutet, dass das Baby bei der Entwicklung seiner Selbstregulationsfähigkeit weg vom reinen Überleben auf körperlicher Ebene auf Hilfe von Bezugspersonen angewiesen ist. Diese Grundfähigkeit des menschlichen Organismus zu überleben wird Homöostase genannt:

Der Unterschied zwischen Homöostase und Allostase wurde hier bereits ausführlich wissenschaftlich aufbereitet. Insofern folgt nur eine kurze Zusammenfassung in Form einer Analogie:

Homöostase

Möglichkeit 1 (Bestfall)

Möglichkeit 2 (Regelfall)

Im Bestfall kehrt also das System, hier durch das große Kissen dargestellt, nach einer Störung in sein Ursprungszustand zurück.

Anders als das Kissen braucht jedoch ein lebendes System Ressourcen, z.B. Energie, um Veränderungen jeder Art zu bewirken. Es tritt der Regelfall einer homöostatischen Regulation ein. Hier gehen dem Kissen als Analogie für das System Ressourcen in Form der Kissenfüllung verloren. Danach kann es zwar in seine ursprüngliche Form in Bezug auf die ebenmäßige Verteilung der Füllung zurückkehren, der Bezug muss aber verkleinert werden, damit das Kissen noch prall wirkt.

Bei der Homöostase wird es beim Organismus also über die Zeit zwangsläufig aus Mangel an Ressourcen zu Abstrichen bei Struktur und Funktion kommen. Statt sich zu erweitern, verengen sich die Möglichkeiten des Organismus über die Zeit. Entwicklung kann so nur erschwert und unvollständig oder garnicht stattfinden. Auch der Grundstein für Degeneration, Alter und Krankheit ist gelegt.

Homöostase ist also, um es modern auszudrücken, nie nachhaltig. Es geht dabei immer nur darum aktuelle Brände zu löschen und die nächsten 5 Minuten zu überleben.

Allostase

Durch die Fähigkeit zur Allostase lernt das System aus Störungen neue Fähigkeiten zu entwickeln und sich so von innen heraus zu transformieren. Nebenbei sehen wir hier auch den Unterschied zwischen der Möglichkeit zum bloßem Wachstum bei der Homöostase (kleines Kissen bekommt mehr Füllung, wird größer) und der Entwicklung bei der Allostase (Metamorphose vom Kissen zum Kuscheltier, welches Eigenschaften des Kissens aufweist, jedoch neue, vorher nicht dagewesene Eigenschaften des Kuscheltiers dazu gewinnt).

Bei der Allostase lernt das System also nicht nur Ressourcen möglichst zu bewahren, sondern immer effektiver zu verwalten. Es lernt dabei sowohl Ressourcen zu schonen als auch sich neue Ressourcen zu erschließen. Dafür muss es aus Grundressourcen wie Nahrung, Luft etc. zunächst Sekundärressourcen in Form von Fähigkeiten zur Verdauung der Grundressourcen entwickeln. Auf diesen Grundfähigkeiten kann der Organismus dann fortgeschrittene Fähigkeiten zur Problemlösung und Planung entwickeln.

Allostase als Brücke zum genetischen Optimum

Die Allostase Fähigkeit stellt das erste Meta Soll-Ziel der Entwicklungsfähigkeit dar. Indem das Individuum im Laufe seiner Entwicklung spezifische, aufeinander aufbauende Entwicklungsschritte vollzieht, passiert bei Erreichen einer kritischen Masse von Fähigkeiten die Metamorphose zur Allostase Fähigkeit. Alle Meilensteine vor dem Erreichen dieser kritischen Masse werden aber nur Homöostase hervorbringen können. Ausschlaggebend für die Wandlung zur Allostase Fähigkeit ist die Integration aller zuvor erworbener Fähigkeiten – ein Zustand, den man auch Reife nennt.

Die Allostase Fähigkeit kann aber nur erreicht werden, wenn jeder Meilenstein davor dennoch seine eigenen Zielvorgaben erreicht hat (Zwischenstadien der Reife).

Wir kommen auf das Beispiel des Laufenlernens zurück. Das Kind kann sich erst selbständig von den Eltern wegbewegen (Selbstregulation), wenn es laufen lernt. Damit diese Fähigkeit optimal erworben wird, musste es zunächst optimal den Kopf heben, rollen, sitzen und krabbeln lernen. Diese Fähigkeiten wiederum hängen zum großen Teil davon ab, wie viel Körperkontakt und emotionaler Zuspruch dem Baby zuteil geworden ist. Damit Selbstregulation also in Bezug auf das Laufen eintreten kann, muss vorher sehr viel Fremdregulation optimal stattgefunden haben. Ein Kind was laufen kann, ist natürlich in Bezug auf kognitive Fähigkeiten noch lange nicht zur Selbstregulation fähig. Aber jeder Meilenstein der Selbstregulation wird das Kind weiter Richtung Soll-Zustand Allostase Fähigkeit bringen, wenn zur richtigen Zeit und am richtigen Ort weitere Impulse von außen auf das Kind einwirken, die es dann zu eigenen Fähigkeiten verarbeitet. Läuft alles wie von der Natur vorgesehen, ist der Mensch dann mit ca. 21 Lebensjahren zur Allostase fähig.

Neben der übergeordneten Fähigkeit zur Allostase muss der Organismus also viele Teilfähigkeiten erwerben, die sich dann im Laufe der ersten 21. Lebensjahre zur Allostase Fähigkeit summieren.

Nur spezifische mit jedem Entwicklungsschritt verbundene Fähigkeiten können somit die Diskrepanz zwischen epigenetischer Realität und genetischem Potential überbrücken:

Das genetische Potential ist also nicht nur das, was entwicklungstechnisch erreicht werden kann, sondern auch das, was erreicht werden muss, wenn Entwicklung faktisch optimal verlaufen soll. Die Epigenetik muss also im Laufe der individuellen menschlichen Entwicklung  (Ontogenese) das genetische Potential der Spezies (Evolution, Phylogenese) nachvollziehen und dessen Vorgaben in Bezug auf die Fähigkeiten effektiv mit Ressourcen umzugehen erfüllen. Das Zünglein an der Waage, was zwischen optimaler und nicht optimaler Entwicklung unterscheidet, ist immer die Effektivität mit Ressourcen, vor allem Energie umzugehen. 

Es lässt sich also sagen, dass während einer optimalen Entwicklung ein doppelter Prozess ablaufen muss, indem sowohl auf genetischer, als auch auf epigenetischer Ebene ein Weg zurückgelegt werden muss:

Eine andere Art das Verhältnis von Epigenetik zu Genetik darzustellen, ist das genetische Potential als Maßstab für die epigenetische Entwicklung zu sehen:

Ohne Maßstäbe keine optimale Entwicklung

Maßstäbe können faktisch immer auch nicht erreicht werden. Dennoch stellen sie einen wichtigen Wert dar, um die Qualität einer jeweiligen Leistung zu bestimmen.

Jeder Meilenstein in einer Entwicklungsreihenfolge muss also nach genetischen Maßstäben bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, dass derjenige, der den Maßstab erreichen möchte, auch die Fähigkeit haben muss dies zu tun. Wer also einen Maßstab erfüllen möchte, muss auch zu einer spezifischen Leistungen fähig sein.

Der nächste Meilenstein in der Reihenfolge stellt aus der Perspektive des vorherigen Meilensteins immer auch einen Soll-Zustand dar, auf den sich der vorherige Meilenstein durch einen Prozess durch den Erwerb von Fähigkeiten hinbewegen muss:

Das, was also im Sinne eines Maßstabes im vorherigen Entwicklungsschritt optimal war, wird es im nächsten Entwicklungsschritt nicht mehr sein. Das genetische Programm schreitet stetig fort und die epigenetische Entwicklung muss Folge leisten. Insofern ist es nicht richtig, die Epigenetik als reines Opfer der Lebensumstände zu betrachten. Es ist zwar richtig, dass die Epigenetik ein Instrument ist, sich auch bei geringen Ressourcen den Lebensumständen anzupassen (Homöostase), idealerweise findet aber immer wieder sowohl ein Abgleich mit der Realität statt, als auch ein Bestreben durch Ressourcenoptimierung die Umstände des Organismus nach Notzeiten wieder zu verbessern.

Faktisch ist es jedoch so, dass die meisten Individuen und Gesellschaften auch dann, wenn Ressourcen (wieder) verfügbar sind, im Homöostase Modus stecken bleiben. Die Erklärung dafür sind Traumata, vor allem Entwicklungstraumata. Der Fachausdruck für die Unfähigkeit des Systems die Allostase Fähigkeit zu erreichen, obwohl objektiv alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, heißt Allostatische Überladung Typ 2. Springt das System nach Zeiten der Not automatisch in einen Entwicklungsmodus zurück, handelt es sich um die Allostatische Überladung Typ 1 (Mehr dazu mit wissenschaftlichen Nachweisen in diesem Artikel).

Devolution statt Evolution

Insofern ist der momentane Zeitgeist Maßstäbe möglichst ganz abzuschaffen in Bezug auf ein Verständnis für das Thema Entwicklung verheerend. Die Relativierung von Maßstäben wurde zwar aus dem ursprünglich guten Gedanken initiiert Individuen, die einen Maßstab auf persönlicher oder gesellschaftlicher Ebene nicht erreichen können, nicht als lebensunwert abzuwerten. Dabei wurde leider weit über das Ziel hinausgeschossen, indem nun der Blick auf die tatsächlichen und von der Natur vorgegebenen Erfordernisse offener komplexer Systeme, zu denen auch der menschliche Organismus gehört, in weiten Teilen der Gesellschaft völlig verstellt ist. Die Gesellschaft nimmt daher aufgrund dieser Realitätsverleugnung immer dystopischere Züge an, statt Utopien zu erschaffen. Auf persönlicher Ebene wird Leid nicht gemindert, sondern erzeugt und aufrecht erhalten. Es ist wichtig, dass wir individuell und gesellschaftlich die Konsequenzen einer Gesellschaft ohne jede Vorgabe, jeden Maßstab und jede Leistungsbestimmung zu Ende denken. Selbstregulation setzt Fähigkeiten voraus. Fehlen entweder die Anreize oder auch die Ressourcen zur Erreichung der Selbstregulation, brechen offene komplexe Systeme früher oder später mittels Selbstzerstörung zusammen, weil Ressourcen nicht mehr beschafft und effektiv verwaltet werden können. Individuell kommt es zu Symptomen und degenerativen Erscheinenungen. Gesellschaften verlieren wichtige Infrastrukturen, die Individuen für eine optimale Entwicklung brauchen (Lebensmittelversorgung, Bildung, Transportwesen). In solchen Verhältnissen sind Menschen täglich größtenteils mit Überleben beschäftigt. Für eine optimale Entwicklung fehlen dann Zeit, Raum und Ressourcen. Degeneration statt Evolution auf individueller und kollektiver Ebene sind die Folge.

Die Einrichtung der menschlichen Natur

Devolution statt Evolution tritt immer ein, wenn grundsätzliche Prinzipien offener komplexer Systeme missachtet werden und somit die Basis für eine optimale Entwicklung von Individuen und Gesellschaften fehlt. Je weiter sich ein System entwickeln möchte, desto komplexer muss es werden. Komplex bedeutet in diesem Zusammenhang, dass immer mehr Fähigkeiten erworben und miteinander koordiniert werden, um Ressourcen effektiv zu beschaffen und zu verwalten. Fehlen entscheidende Meilensteine, die mit dem Erwerb spezifischer Fähigkeiten verbunden sind, entstehen Lücken im System. Sowohl das Ausmaß an Fähigkeitslücken, als auch das Ausmaß an Anforderungen bestimmen, ob ein System noch überlebt (unter Abstrichen an Funktion und Struktur) oder kippt. Im Falle eines Überflusses an Ressourcen (Allostatische Überladung Typ 2) kippt das System mittels Selbstzerstörung dennoch, was in unserer Gesellschaft weit häufiger ist als der Tod durch einen realen Ressourcenmangel (Allostatische Überladung Typ 1), z.B. durch einen schweren Unfall.

Es scheint zu dem Schatten sogenannter entwickelter Gesellschaften zu gehören, der Basis keine Bedeutung mehr zuzusprechen, bzw. diese als gegeben anzusehen. Diesem Schatten können wir uns nur stellen, indem wir uns zurück auf die tatsächlichen Gegebenheiten einer optimalen menschlichen Entwicklung zurückbesinnen. Denn diese Voraussetzungen sind seit mindestens 100 Jahren hinlänglich in Forschungskreisen bekannt. Es wird praktisch allerdings selten danach gehandelt. Vor allen Dingen wird nicht versucht die Punkte zu verbinden, um aus dieser Forschung eine kohärente und einheitliche Theorie des Lebens zu extrahieren. Noch weniger kommt es dann natürlich zu praktischen Methoden, welche die Entfaltung des Lebens wirklich unterstützen können.

Aus diesen Gründen wurden die Evogralis Methode entwickelt und die Evogralis Akademie gegründet.

Im Folgenden stellen wir nun die Grundzüge der menschlichen Entwicklung dar. Eine ausführlichere Einführung zur Einrichtung der menschlichen Natur findet sich in unseren Intro Videos. Hier geht es zum ersten Video.

Die drei großen Meilensteine menschlicher Entwicklung

Die menschliche Entwicklung lässt sich grob in drei Schritte unterteilen, nämlich die Entwicklung der menschlichen Natur, der individuellen Persönlichkeit und der individuellen Natur:

Bei der menschlichen Natur handelt es sich um basale Fähigkeiten, die in der Summe zur Fähigkeit der Selbstregulation und damit auch zur Allostase Fähigkeit führen. Die Einrichtung der menschlichen Natur unterteilt sich wiederum in Zwischenschritte, die jeweils eigene Meilensteine darstellen. Zunächst muss das System die Fähigkeit zur zellulären Selbstregulation erlangen. Als letztes kann auch die spirituelle Selbstregulation erlangt werden:

Bei den meisten Menschen funktioniert bereits die zelluläre Selbstregulation (Stoffwechsel) nicht besonders gut, spätestens bei der körperlichen Selbstregulation (Einrichtung des Nervensystems) kommt es jedoch zu Entwicklungslücken, die eine spätere Fähigkeit zur Allostase unterbinden.

Die meisten Menschen nehmen diese Lücken allerdings erst wahr, wenn es zu Zerfallserscheinungen im System kommt, sprich Symptomen. Unsere Gesellschaft ist nicht darauf ausgerichtet präventiv und proaktiv Lücken zu suchen und zu schließen, bevor Symptome auftreten. Und wenn Symptome auftreten, wird die Ursache, die sehr häufig letztendlich auf eine Entwicklungslücke zurückzuführen ist, nicht beseitigt. Man begnügt sich zunächst mit der Behandlung des Symptoms (Wiederherstellung der Homöostase). Dass es in Zukunft zu Symptomverschiebungen und neuen Problemen kommen wird, wird ignoriert oder als gegeben hingenommen.

Fachleute können zwar subtile Störungen im System oft früher erkennen, ein entwicklungsbasierter Lösungsansatz wird jedoch fast nie verfolgt, unabhängig davon, ob es sich um Mediziner, Psychologen, Soziologen oder Pädagogen handelt. Die Existenz der Allostase Fähigkeit ist auch ganzheitlich arbeitenden Therapeuten in der Regel völlig unbekannt. Der Maßstab für den Erfolg der Maßnahmen bildet die Homöostase, also lediglich die (Wieder)herstellung des vorherigen Zustandes. Weil der vorherige Zustand aber bereits Entwicklungslücken aufgewiesen hat, ist das Problem nicht ursächlich gelöst. Davon einmal abgesehen, dass die (Wieder)herstellung der Gesundheit aufgrund vorhandener Entwicklungslücken oft bereits nicht gelingt. Unter solchen Voraussetzungen wirken Behandlungsmaßnahmen wie temporäre Entlastungsmaßnahmen, oft ohne nachhaltige Wirkung.

Selbst dann, wenn das Fehlen von Grundlagen bekannt ist, reichen die angewendeten Maßnahmen meist nicht aus, um Entwicklungslücken optimal und systematisch zu schließen. Im Ergebnis setzen also fast alle Methoden, die der menschlichen Entwicklung dienen wollen, bewusst oder unbewusst an der Entfaltung der Persönlichkeit oder gar der individuellen Natur an:

Dieser Ansatz ist am Maßstab der optimalen Entwicklung gemessen fast immer zum Scheitern verurteilt.  Er funktioniert nur dann, wenn ein ausreichendes Maß an Fähigkeiten auf der Ebene der menschlichen Natur vorhanden ist. Dies ist im Laufe der Menschheitsgeschichte schon immer fraglich gewesen. Der vorherrschende Zeitgeist, der zu einer weiteren Vernachlässigung der Überprüfung und Vermittlung basaler Fähigkeiten führt, verschlechtert die Lage erheblich.

Ist ein System für fortgeschrittene Fähigkeiten noch nicht bereit, sind entsprechende Methoden im Grunde Zeit, Geld und Ressourcenverschwendung. Viele dieser Methoden sind für sich gesehen objektiv natürlich sehr sinnvoll, sie werden aber zu früh eingesetzt und produzieren damit nur suboptimale Ergebnisse. Subjektiv sind sie also zur menschlichen Entwicklung nicht geeignet, weil die Individuen in ihrer Entwicklung noch nicht soweit sind deren Impulse zu verarbeiten.

Die Evogralis Methode und die Evogralis Akademie wurden ins Leben gerufen, um diese Lücke zu schließen. Aus diesem Grund kümmert sich die Evogralis Methode zunächst um die Einrichtung der menschlichen Natur und erst später um weitere Grundlagen, die für die Entfaltung der persönlichen Natur wichtig werden:

Die Evogralis Methode enthält Maßnahmen, die das System zunächst entlasten und heilen können, wobei das eigentliche Ziel die Neustrukturierung des Systems im Sinne der Allostase Fähigkeit ist (mehr zum Unterschied zwischen Heilung und Entwicklung findest du hier). Angelehnt an die Metamorphose der Larve zum Schmetterling beansprucht die Evogralis Methode die Begleitung von Menschen einschließlich bis zum Ende des Kokon Stadiums. Das Schmetterlingsstadium überlässt sie anderen Methoden und Fachleuten.

Unsere Kurse in der Evogralis Akademie orientieren sich ebenfalls an dieser Einteilung der Entwicklung von der Larve zum Kokon.

In diesem Artikel sind die Konzepte der Entwicklungskybernetik laienfreundlich aufbereitet worden. Hier haben wir das Ganze wissenschaftlich und mit Zitaten aufbereitet.

Bilder: wenn nicht weiter gekennzeichnet eigenes Werk/Canva

Was unsere Teilnehmer sagen…

Durch die Evogralis Methode und ihre Ganzheitlichkeit hat sich mein Leben positiv verändert.

Ich habe durch die Methode verstanden, dass es im Leben nicht darum geht die Situationen einfach zu akzeptieren sondern diese wahrzunehmen und auch anzunehmen.

 Mir musste zunächst klar werden, dass die persönliche Entwicklung stetig und in mehreren Stufen erfolgt und dass ICH die Person bin, die für sich und sein Leben verantwortlich ist und keine externen Geschehnisse. Bisherige Therapieformen oder andere Methoden haben mir diesen Weg nicht aufzeigen können, da hier die Entwicklung im Außen lag und nicht bei Mir, wodurch ich keinerlei Veränderung verspürte. Auch half mir die Integration meiner frühkindlichen Reflexe dabei meinen eigenen Weg besser zu verstehen sowie mich physisch weiterzuentwickeln.*

Niklas F.

* Bei den Berichten handelt es sich um individuelle und persönliche Erfahrungen, die weder als Erfolgsgarantie, noch als Heilversprechen aufgefasst werden sollten. Ergebnisse variieren und hängen u.a. vom persönlichem Engagement des Teilnehmers sowie von seinem Entwicklungspotential ab.